Kaffee-Cupping: So ermitteln wir den Geschmack von Rohkaffee – Schritt für Schritt

Kaffee Cupping ist die weltweit etablierte Methode, um Rohkaffee objektiv zu verkosten und sensorisch einzuordnen. Diese Cupping Anleitung führt dich praxisnah durch jeden Schritt – von der Probenröstung bis zum Cupping Protokoll – damit du Kaffees konsistent bewertest, Unterschiede zwischen Lots sicher erkennst und fundierte Entscheidungen für Röstung und Verwendung triffst.

Was ist Kaffee-Cupping und warum ist es wichtig?

Beim Cupping werden mehrere Kaffees standardisiert zubereitet, um ihren Duft, Geschmack, Körper, Säure, Nachgeschmack und mögliche Defekte vergleichbar zu machen. Ziel ist ein reproduzierbares Verfahren, das subjektive Vorlieben minimiert und objektive Qualität sichtbar macht. Für Röster, Einkäufer und alle, die Rohkaffee verkosten, ist Cupping das verlässlichste Werkzeug zur Qualitätskontrolle, zur Auswahl neuer Lots und zur Rezeptentwicklung.

Standardisierung bedeutet: identische Röstprofile für Samples, gleiche Dosierung, definierter Mahlgrad, kontrollierte Wasserqualität und -temperatur, feste Zeitpunkte für Aufguss, Krustenbrechen und Verkostung. So werden einzelne Faktoren isoliert und Ergebnisse belastbar.

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Ausrüstung und Voraussetzungen

Cupping-Schalen, Löffel, Waage, Wasserqualität, Mühle

  • Cupping-Schalen: 200–250 ml Volumen, möglichst identische Gefäße pro Set.
  • Cupping-Löffel: Tiefe Form aus Edelstahl; pro Person mindestens zwei, plus Spülbecher.
  • Präzisionswaage: 0,01-g-Genauigkeit für Kaffeemehl, 0,1-g-/ml-Genauigkeit für Wasser.
  • Mühle: Homogene Partikelverteilung, möglichst geringer Retention, idealerweise Labor- oder hochwertige Shopmühle.
  • Wasser: 92–94 °C beim Aufguss, moderat mineralisiert (ca. 75–175 ppm TDS), neutral im Geschmack. Die Wasserqualität Kaffee beeinflusst Extraktion und Wahrnehmung direkt.
  • Zeitmesser: Zur Synchronisation von Mahlen, Aufgießen, Krustenbrechen und Verkostungsrunden.
  • Spuckbecher, heißes Wasser zum Ausspülen der Löffel, Küchenpapier.

Hygiene, Probenkennzeichnung und Blind-Cupping

  • Hygiene: Saubere Schalen, frisch gespülte Löffel, kein Parfüm oder starke Gerüche im Raum.
  • Probenkennzeichnung: Eindeutige Codes (z. B. A1, A2 …) statt Namen – fördert Blind-Cupping und reduziert Bias.
  • Reihenfolge: Randomisieren, damit Panelisten keine systematischen Erwartungen entwickeln.
  • Panel-Setup: Ausreichender Abstand zwischen Tassen, konstante Beleuchtung, ruhige Umgebung.

Samples richtig rösten

Zielröstgrad, Entwicklungszeit, Ruhezeit der Proben

Probenröstungen müssen vergleichbar sein. Ziel ist ein heller bis heller-mittlerer Röstgrad, der die originären Eigenschaften des Rohkaffees sichtbar macht, ohne Unterentwicklung (grasig, säuerlich) oder Röstnotenaromen zu dominieren. Orientiere dich an einem Entwicklungszeitanteil von ca. 12–15 % nach First Crack, mit einer Development Time zwischen 60 und 90 Sekunden – je nach Bohnenstruktur und Feuchte.

Ruhezeit: 8–24 Stunden nach der Röstung sind ideal, damit CO₂ ausreichend entgast und die Aromawahrnehmung stabil ist. Jüngere Samples schmecken oft spritziger und unruhiger, zu lange gelagerte verlieren Volatilität.

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Einheitlichkeit sicherstellen

  • Gleiche Chargengröße, identisches Röstprofil für alle Samples.
  • Dokumentation: Ladeprofile, Chargen-ID, Endtemperatur und Röstzeit notieren.
  • Farbmessung (optional): Agtron/Colormeter als objektive Kontrolle des Röstgrads.
  • Defekte aussortieren: Quaker und gebrochene Bohnen vor dem Mahlen entfernen.

Cupping aufstellen: Mahlgrad, Dosierung, Wasser

Mahlen und trockene Duftprobe (Fragrance)

Mahle direkt vor dem Aufgießen. Ein gleichmäßiger, mittlerer bis eher grober Filtermahlgrad ist für Cupping ideal – etwas feiner als French Press. Ziel: klare Extraktion ohne Überextraktion. Prüfe den trockenen Duft (Fragrance): Notiere erste Eindrücke (Florales, Frucht, Nuss, Gewürz, Kakao, Getreide).

  • Standarddosierung (SCA Cupping): 8,25 g Kaffee je 150 ml Wasser (±0,25 g Toleranz).
  • Mahlgrad Cupping: Stabil, homogen, keine Klumpen; siebe nicht, um das Partikelspektrum konsistent zu halten.

Türkisch aufgießen: Immersionsmethode nach SCA-Standard

Fülle die Schalen mit heißem Wasser (92–94 °C) zügig nach Start des Timers, ideal innerhalb von 15 Sekunden pro Set. Das Kaffeemehl schwimmt auf und bildet eine Kruste – ähnlich wie bei türkischem Kaffee, jedoch ohne Kochen. Beobachte den nassen Duft (Aroma), wenn der Kaffee mit Wasser in Kontakt ist.

Crust aufbrechen, Abschöpfen und Duft bewerten

Nach 4 Minuten wird die Kruste mit einem Löffel dreimal „gebrochen“: Löffel flach ansetzen, die Oberfläche nach hinten ziehen und dabei tief einatmen – dies ist der intensivste Duftmoment. Danach Schaum und Partikel aus der Tasse schöpfen, um spätere Schlucke sauber zu halten. Spüle Löffel zwischen den Tassen in heißem Wasser.

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Verkostung in mehreren Runden bei unterschiedlichen Temperaturen

Heiß, warm, abgekühlt: sensorische Veränderungen erkennen

Beginne mit der Verkostung nach ca. 8–10 Minuten. Heiß zeigt der Kaffee oft prägnante Säuren und flüchtige Aromen; warm wirken Struktur und Balance ausgewogener; abgekühlt treten Süße, mögliche Defekte und Feinheiten stärker hervor. Verkoste jede Tasse in mindestens drei Temperaturphasen und vergleiche die Entwicklung der Attribute.

Schlürftechnik, Panel-Disziplin und Notation

  • Schlürfen: Energiegeladen Luft einziehen, damit sich der Kaffee fein verteilt und Aromen retronasal wahrnehmbar werden.
  • Panel-Disziplin: Nicht reden, bevor alle initial notiert haben. Kommentare kommen erst nach der ersten Bewertungsrunde.
  • Notation: Nutze ein einheitliches Cupping Protokoll (SCA-Form), kurze deskriptive Begriffe und Intensitätsskalen.
  • Referenzieren: Wiederhole einzelne Tassen gezielt, wenn Eindrücke unsicher sind.

Bewertung und Protokoll

SCA-Score: Aroma, Geschmack, Nachgeschmack, Säure, Körper, Balance, Süße, Sauberkeit, Gleichmäßigkeit, Gesamt

Die SCA-Bewertung arbeitet mit zehn Kategorien. Für jede vergibst du typischerweise Werte zwischen 6,00 und 9,00 in 0,25-Schritten, basierend auf Qualität und Intensität.

  • Fragrance/Aroma: Trocken- und Nassduft.
  • Flavor: Gesamte Geschmackswahrnehmung in der Tasse.
  • Aftertaste: Länge, Sauberkeit, angenehme Persistenz.
  • Acidity: Qualität (leuchtend, weich, spitz, zitronig, weinartig) und Integration.
  • Body: Mundgefühl, Viskosität, Struktur (seidig, cremig, wässrig).
  • Balance: Zusammenspiel von Säure, Süße, Körper, Aroma.
  • Sweetness: Wahrgenommene natürliche Süße ohne Zucker.
  • Clean Cup: Freiheit von Fremdnoten, Klarheit.
  • Uniformity: Gleichmäßigkeit über alle Tassen der gleichen Probe.
  • Overall: Gesamteindruck jenseits der Einzelkategorien.

Der finale Score ist die Summe aller Kategorien minus eventueller Defektabzüge. Ab etwa 80 Punkten sprechen wir von Specialty. Wichtig: Notiere Beispiele für Aromen (z. B. rote Beeren, Steinobst, Zitrus, Nougat, florale Noten), um Beschreibungen greifbar zu machen.

Notenprofil erstellen und Vergleich zwischen Lots

Fasse für jedes Lot ein kompaktes Notenprofil zusammen: Top-3-Aromen, Säurequalität, Körper, Süße und besondere Stärken oder Schwächen. Im direkten Vergleich ordnest du Lots nach Einsatzgebieten (Filter vs. Espresso), nach Preissegment und nach gewünschtem Sensorikziel (z. B. fruchtig-lebhaft vs. schokoladig-rund). Ein visuelles Radar-Chart oder ein standardisiertes Textschema erleichtert Teamentscheidungen.

Defekte erkennen

Welche Defekte gibt es und wie schmecken sie?

  • Phenolisch/medizinisch: Desinfektionsmittel, Plastik – oft scharf und hartnäckig, deutlicher Abzug im Clean-Cup.
  • Erdigkeit/Schimmel: Moder, feucht, Keller – dumpf, trocken, wenig Süße.
  • Gärnoten/überfermentiert: Essig, Joghurt, Alkohol – spitz, unbalanciert, stört Klarheit.
  • Potato (v. a. Ostafrika): Rohkartoffel – penetrant, bereits im Duft erkennbar.
  • Quaker: Unterentwickelte Bohnen – erdnussig, pappeartig, flach; verstärkt in hellen Röstungen.
  • Röstfehler: Scorched (verbrannt an der Oberfläche), Tipped (Spitzen verbrannt), Baked (flach, brotig), Underdeveloped (grasig, sauer).

Defekte bleiben meist über Temperaturphasen konsistent oder werden im Abkühlen deutlicher. Markiere fehlerhafte Tassen, ziehe „Uniformity“- und „Clean Cup“-Punkte ab und entscheide, ob die Probe insgesamt disqualifiziert ist.

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Auswertung und Entscheidung

Verwendung festlegen: Single Origin, Blend, Kaffee- oder Espresso-Röstung, Specialty Single Lots

  • Single Origin (Filter): Klarer, charakterstarker Kaffee mit definierter Säure und hoher Süße.
  • Espresso: Dichte Struktur, anhaltender Nachgeschmack, gute Löslichkeit; Säure integriert und süß.
  • Blend-Komponente: Ergänzt fehlende Elemente (z. B. Körper, Schokoladennoten, Säurelift) und bleibt stabil über Röstgrade.
  • Specialty Single Lots: Herausragende, saubere, charaktervolle Lots mit konsistenter Qualität über die Tassen.

Die Entscheidung beruht nicht allein auf dem Score, sondern auf Zielprofil, Röster-Setup, Kundenerwartung und Preis. Notiere Handlungsschritte: Kaufentscheidung, Röstplan, Zielröstgrad je Verwendung, Kommunikation der Geschmacksnotizen.

Checkliste & Troubleshooting

  • Vorbereitung: Raum frei von Fremdgerüchen, Equipment sauber, Wasserparameter geprüft.
  • Röstung: Einheitliche Probenröstung, gleiche Endfarbe, dokumentierte Profile.
  • Mahlen/Dosieren: 8,25 g je 150 ml, einheitlicher Mahlgrad, direkt vor dem Aufguss.
  • Aufguss: 92–94 °C, schnelle, gleichmäßige Befüllung, Timer starten.
  • 4-Minuten-Marke: Kruste brechen, Duft bewerten, sauber abschöpfen.
  • Verkostung: Ab 8–10 Minuten, in drei Temperaturphasen, Schlürfen, Löffel zwischen Tassen spülen.
  • Protokoll: SCA-Form nutzen, Kategorien vollständig, Defektvermerke, Kommentare präzise.
  • Auswertung: Notenprofil, Einsatzempfehlung, nächste Schritte festhalten.

Häufige Probleme und Lösungen:

  • Überextraktion (bitter, trocken): Mahlgrad gröber, Dosierung prüfen, Wasser nicht zu heiß.
  • Unterextraktion (sauer, dünn): Etwas feiner mahlen, vollständige Entgasung der Proben abwarten.
  • Uneinheitliche Tassen: Röstfarbe abweicht, Mühle ungleichmäßig – Rösten/Mahlen kalibrieren.
  • Dumpfe Tassen: Wasser zu weich oder zu hart – auf 75–175 ppm TDS einstellen, frisches Wasser nutzen.
  • Panel-Bias: Blind-Cupping, Reihenfolge mischen, erst notieren, dann diskutieren.

Weiterführende Schritte: Lege ein eigenes, wiederverwendbares Bewertungsblatt an, trainiere dein Panel mit Referenzproben (z. B. Säure-, Süße-, Defekt-Standards) und vergleiche regelmäßig mit SCA Cupping Benchmarks. So wird Kaffeeverkostung reproduzierbar – und jede Entscheidung über Rohkaffee nachvollziehbar.

 

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